Wo ein Wille ist, da ist ein Weg

Ein junger, sportlich aussehender Mann steht uns im Schlosshof gegenüber. Der Augenkontakt ist flüchtig, die Kommunikation sehr oberflächlich und nichts sagend. Er kommt direkt aus der Klinik, wo er seit längerer Zeit per behördlicher fürsorgerischer Unterbringung wohnt. Die psychiatrische Diagnose «Bipolare Störung Typ 1» besteht seit einigen Jahren. Hinzu kommt exzessiver Alkoholkonsum, der ihn und sein familiäres Umfeld immer wieder in grösste Schwierigkeiten bringt. Nach dem Konsum folgt der Absturz und die Depression, welche ihn tagelang ans Bett fesselt. Das Familiensystem ist überlastet, die direkten Angehörigen ausgebrannt und die Fremd- und Selbstgefährdung dermassen gegeben, dass die KESB schliesslich den Entscheid fällt, ihn in die Klinik einzuweisen.

 

Nun steht er also in Herdern auf dem Schlosshof mit dem Willen, ein Probewohnen zu absolvieren. Der Mittvierziger erträgt diese Situation jedoch nicht und entfernt sich kurze Zeit nach Ankunft, weshalb wir ihn polizeilich zur Fahndung ausschreiben. Die Polizei bringt ihn einen Tag später zurück – in der Hoffnung auf einen positiveren Verlauf. Dem ist jedoch nicht so. Wiederum entschwindet der Mann, gelangt zu seiner Ehefrau, welche er massiv unter Druck setzt, ihm Alkohol zu beschaffen und wird schliesslich polizeilich in die Klinik zurückgebracht. Hatte er zuvor einen Entzug mit anschliessender stationärer Therapie noch verweigert, führt dieses Intermezzo nun dazu, dass er sich darauf einlassen wird. Dies jedenfalls, wünschen wir ihm und seiner Familie. Somit war das sehr flüchtige Probewohnen bei uns im Schloss Herdern als solches nicht erfolgreich – für die Situation des jungen Mannes und dessen Angehörige indes schon. Die Moral dieser Geschichte könnte sein: Nicht immer ist ein Wille da, wo ein Weg ist. Doch manchmal kann ein Weg zum Willen lenken. In dem Sinne wünschen wir ihm, dass er den Entzug und die Therapie antritt und aushält.